MAINZ. Mit Blick auf Adipositas, also hohes Übergewicht, sprechen Mediziner mitunter bereits von einer Epidemie. Mittlerweile hat die Adipositas die Unterernährung in ihrer medizinischen Bedeutung sogar überholt. „Die Adipositas ist eine große Herausforderung für die moderne Medizin. Viele Disziplinen befassen sich mit den Folgestörungen der Adipositas. Während das Übergewicht selbst in der Regel nicht als Krankheit gilt, so werden ihre Konsequenzen für die Gesundheit als Krankheit eingestuft“, erklärt Prof. Dr. med. Dr. h. c. Christian Wüster, Leiter des Hormon- & Stoffwechselzentrums in Mainz. Die Folgen von Übergewicht betreffen mitunter nicht nur den biomedizinischen, sondern den psychologischen und sozialen Lebensbereich der Betroffenen.
Die Adipositas bleibt weiter auf dem Vormarsch. Die britische „Children of the 90s“-Studie[1] zeigte, dass jeder fünfte Teilnehmer im Alter von Mitte 20 bereits eine Fettleber aufweist. Dabei handelt es sich um eine Lebererkrankung, die vorwiegend in den reicheren Ländern durch eine sogenannte hyperkalorische Ernährung ausgelöst wurde. Fortschreitend kann sie zu einer Leberzirrhose führen. „Oftmals werden die Folgen der Adipositas unterschätzt.
Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist für etwa ein Fünftel der derzeit bekannten Leberzirrhosen verantwortlich und gehört damit zu den häufigsten Indikationen für eine Lebertransplantation“, schildert Prof. Wüster.
Der Mainzer Endokrinologe registriert in seiner Praxis eine zunehmende Zahl an Adipositas-Fällen bereits bei jüngeren Patienten. Aus endokrinologischer Sicht gilt es zunächst, eine Stoffwechselstörung als Ursache der Adipositas auszuschließen. Insbesondere Störungen des Zucker- und Fettstoffwechsels können zu Übergewicht führen. Zudem spielen unter Umständen hormonelle Ursachen eine Rolle. Das ist zum Beispiel im Kontext einer Schilddrüsenunterfunktion oder einer Nebennierenrinden-Überfunktion der Fall. Bei letzterer Erkrankung sprechen Endokrinologen vom sogenannten Cushing-Syndrom. Auszuschließen sind zudem Tu-more, Traumen oder Operationen als das Gewicht beeinflussende Faktoren. „Wir Endokrinologen kommen diagnostisch gesehen dann ins Spiel, wenn die Ursache des Übergewichts nicht eindeutig ist. In ungeklärten Fällen von Adipositas sollten Betroffene den Besuch beim Endokrinologen in Erwägung ziehen“, empfiehlt der Facharzt.
[1] Lancet Gastroenterology & Hepatology (2020; doi: 10.1016/S2468-1253(19)30419-4).
Das könnte Sie auch interessieren: